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  • Patient mit Epilepsie – ist das wirklich so?

    Steifheit, Muskelzittern, Vokalisation, ungewöhnliche Bewegungen der Gliedmaßen oder des Kopfes, Orientierungslosigkeit und Harndrang werden sehr häufig mit epileptischen Anfällen in Verbindung gebracht, doch stehen diese Störungen nicht immer im Zusammenhang mit Epilepsie. Das vorrangige Ziel einer neurologischen Konsultation eines Patienten mit episodischen Verhaltensstörungen besteht darin, die zugrunde liegende Ursache zu ermitteln, da verschiedene Krankheitsentitäten sehr ähnliche Symptome hervorrufen können und die Behandlung unterschiedlich ist.
    Nehmen wir eine Situation als Beispiel: Ein Hund wird in die neurologische Sprechstunde gebracht, dessen Betreuerin seit einiger Zeit Episoden von Steifheit beim Spielen oder erhöhter Anstrengung beobachtet, wobei er manchmal umkippt. Außerdem werden bei diesen Störungen manchmal kleine Mengen Urin beobachtet. Reicht eine solche Anamnese des Patienten aus, um eine Epilepsie zu diagnostizieren? Auf keinen Fall! In der Tat ist es entscheidend, die Informationen aus der Anamnese und der neurologischen Untersuchung zu vervollständigen.

    Epilepsie unterscheidet sich von anderen episodischen Verhaltensstörungen durch das Vorhandensein von 4 Phasen:

    • präiktal,
    • kurz anhaltende Aura, die bei tierischen Patienten nicht immer sichtbar ist,
    • der eigentliche Anfall,
    • postiktale Phase.


    Wichtig ist auch das Vorliegen eines oder mehrerer Symptome des vegetativen Systems, wie Wasserlassen, Stuhlgang, Speichelfluss, aber auch – am charakteristischsten – Bewusstseinsstörungen.
    Zwischen epileptischen Anfällen zeigen die Patienten in der Regel keine weiteren Symptome und ihre neurologische Untersuchung ist normal.
    Um auf das frühere Beispiel zurückzukommen: Während des Interviews stellte sich heraus, dass der Hund seit den ungewöhnlichen Episoden weniger bereit ist, lange Spaziergänge zu machen, und dass er während der Anfälle selbst auf die Umgebung reagiert. Die neurologische Untersuchung zeigt eine Paraparese, eine verzögerte Korrektur der Beckenschenkel, normale Wirbelsäulenreflexe und – was wichtig ist – starke Schmerzen in der Lendenwirbelsäule bei tiefer Palpation der Wirbelsäule. In einer solchen Situation sollten auf der Grundlage der im Interview und der neurologischen Untersuchung erhobenen Daten in der Differenzialdiagnose zunächst Schmerzattacken im Zusammenhang mit einer vermuteten Läsion in der Lendenwirbelsäule und erst dann epileptische Anfälle berücksichtigt werden.

    Schmerzsymptome werden oft mit Epilepsie verwechselt, daher sollten wir vor der Diagnostik oder Behandlung einer Epilepsie diese immer durch ein Gespräch und eine neurologische Untersuchung, gegebenenfalls ergänzt durch eine bildgebende Untersuchung, als mögliche Ursache für Anfälle ausschließen. Steifer Gang, Stolpern oder Schlurfen der Pfoten beim Gehen, mangelnde Lust auf Sport oder Spiel, Lautäußerungen bei plötzlichen Bewegungen sowie Schwierigkeiten beim Treppensteigen oder -absteigen sind nur einige der Störungen, die ein Tierbetreuer bei seinem Haustier beobachten kann, wenn es Schmerzen verspürt. Es liegt in der Verantwortung des Tierarztes, das Vorhandensein dieser Symptome festzustellen, um Schmerzattacken von Epilepsie zu unterscheiden.

    Eine weitere Erkrankung mit episodischem Verlauf, die häufig als Epilepsie fehldiagnostiziert wird, ist die paroxysmale Dyskinesie. Mit diesem Begriff werden episodisch auftretende unwillkürliche Bewegungsstörungen der Gliedmaßen, des Kopfes oder des gesamten Körpers ohne Symptome des autonomen Systems bezeichnet. Die Patienten sind während der Episoden in der Regel desorientiert, verlieren aber nicht das Bewusstsein und reagieren auf ihre Betreuer. Typisch ist auch das Fehlen einer prä- und post-epileptischen Phase, was diese Störung weiter von Epilepsie unterscheidet. Einige Rassen sind für paroxysmale Dyskinesien prädisponiert, z. B. Cavalier King Charles Spaniels für das so genannte Episodische Fallsyndrom (EFS - Episodic falling syndrome), Cairn Terrier und Scottish Terrier für den so genannten Scotty Cramp und Border Terrier für die Spike's disease.
    Bei der Diagnosestellung lohnt es sich, einen Glutensensitivitätstest durchzuführen, da die Erkrankung häufig mit dem Vorhandensein von Antikörpern gegen TG2 und Gliadin einhergeht und daher der Ausschluss von Gluten aus der Ernährung häufig zum Verschwinden der Symptome führt.

    Es sollte auch daran erinnert werden, dass epileptische Anfälle nicht immer einen spektakulären Verlauf mit tonisch-klonischen Krämpfen, Kot-, Urin- und Speichelfluss haben. Beispielsweise beobachten wir bei manchen Katzenpatienten das sogenannte Temporallappenepilepsie, also Temporal Lobe Epilepsy, das durch die häufigsten Symptome wie Schmatzen, Speichelfluss, Gesichtsmuskelzuckungen, übermäßiges Lecken, Kauen oder Schlucken gekennzeichnet ist.

    Grundlage für die endgültige Diagnose einer Epilepsie ist der Ausschluss aller anderen Krankheiten, die ähnliche Symptome verursachen. Die Möglichkeit, auftretende Störungen zu Hause aufzuzeichnen, ermöglicht eine schnellere Diagnose und der universelle Zugriff auf Informationen aus Quellen wie Literatur oder dem Internet ist sowohl für praktizierende Tierärzte als auch für Tierbetreuer ein großer Komfort.